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Das Mysterium Exposé und Paragraph 2.1 Q

Ich bekam als Hilfestellung zwei angenommene Exposés, bei denen die Namen geschwärzt waren. Endlich hatte ich ein Bild dieses ominösen Papierstücks, welches mich bei meiner eigenen Recherche so abschreckte. Die Exposés gaben mir Mut, doch nun galt meine größte Sorge meinen Notizen. Würden sie reichen, um nach über einem Jahr ein Buch damit zu schreiben? Ich erinnere mich noch gut an den entscheidenden Abend. Ich machte mir eine Kanne Tee, nahm mir eine Tafel Vollnussschokolade und setze mich mit meinem Laptop in die Leseecke unserer Wohnung. Zusätzlich kramte ich noch die Kiste mit all den Bildern, Artikeln, Karten und Prospekten raus, die ich vor und während der Reise gesammelt hatte. Eine halbe Stunde später war ich in einer anderen Welt. Ich wanderte wieder durch mein geliebtes Heimatland. Die Erinnerungen und Gedanken, die der Alltag immer mehr verdrängt hatte blühten wieder auf und wirkten wie Anfeuerungsrufe. Noch lange lag ich diese Nacht wach und freute mich auf die Herausforderung »Exposé«.

Was könnte der rote Faden für ein Buch sein? Von welchen Erlebnissen möchte ich erzählen? In welcher Form möchte ich es überhaupt erzählen? Wie immer half mir Aiko auf seinen Spaziergängen die Gedanken zu sortieren. Zwei Wochen brütete ich intensiv und kam zu dem Entschluss, dass ich nicht die eine große Geschichte sehe. Jeder der 100 Tage gehört zu der Reise und hat sie für mich so besonders gemacht. Die Natur- und Nationalparks sollten die Schauplätze für viele kleine Geschichten sein, die von der unbekannten Natur vor der Haustür, der regionalen Küche und dem Reisen mit Hund erzählen. Und es soll um Freundschaften gehen, denn viele meiner engen Freunde begleiteten mich ein paar Tage. Ich konnte mir auch vorstellen persönlicher als im Blog über meine Beziehung zu meiner Freundin und unserem gemeinsamen Wunsch der Veränderung zu schreiben. Dieses Grobkonzept, die beigefügte Kapitelübersicht und ein Vorwort zu der Reise kamen gut im Verlag an. Aus meinen Vorschlägen für eine mögliche Leseprobe entschieden wir uns schnell für Tag 57, der komprimiert einen Einblick in die Facetten meiner Reise gibt. Obwohl der Wunsch einer zeitnahen Abgabe für eine baldige Besprechung mit dem gesamten Verlagsteam über mir schwebte, spürte ich den Druck nicht und hatte einfach unglaublich viel Spaß beim Schreiben. Der beflügelnde Austausch mit dem Doktor tat sein Übriges, bis er mich auf einmal bat eine Passage als Dialog zu schreiben. »Ähm, einen Dialog? Ich habe zwar noch nie einen Dialog geschrieben, aber ich probiere es gerne einmal.«

Am Ende hatte die Leseprobe 15.610 Zeichen. Ich bebilderte das Exposé noch und überlegte mir ein paar PR-Ideen. Verpackt als ZIP-Paket ging es auf digitalem Wege und nicht wie überall stehend in ausgedruckter Form an den Verlag. Der Dank kam prompt und eine Entscheidung sollte bereits eine Woche darauf folgen. Ich war unglaublich glücklich diesen Schritt getan zu haben und war anfänglich auch entspannt bezüglich der Antwort. Die Welt geht nicht unter, wenn es nicht klappt. Allein die Erfahrung war es schon wert, sagte ich mir. Doch meine Gefühlswelt änderte sich bereits nach der ersten Nacht. Ich wachte auf und ich schlief ein mit dem Gedanken an das Buch. Die Antwort vom Verlag blieb aus. Ein Tag kam mir vor wie eine Woche. Ich kam ins Zweifeln. Wenn ich eine Absage von meinem Wunschverlag bekomme, sollte ich es noch bei einem anderen Verlag versuchen?

Knapp zwei Wochen nach der Abgabe, ich war gerade auf dem Weg zu einem Geschäftstermin nach Herzogenaurach, als ich die erlösende E-Mail erhielt. »Mit wehenden Fahnen hat Ihr Projekt heute die Verlagsrunde passiert!« waren die ersten Wort und ein direktes Angebot war ebenfalls Bestandteil der E-Mail. Ich konnte mein Glück nicht fassen. Ich darf zu meiner Reise ein Buch schreiben und es soll in der Reihe National Geographic bei Malik erscheinen. Bis jetzt war es nur eine E-Mail. Ich versuchte mich zu beruhigen. Es gelang mir nicht. Den Vertrag erhielt ich einige Tage später. Es war der erste Vertrag den ich mehr als einmal komplett gelesen habe. Erstens weil mich die meisten Punkte direkt betrafen und zweitens weil ich nicht jede Formulierung direkt verstanden hatte. Allein Paragraph 2.1 ging von A bis S und erzählte ungewollt eine Geschichte über die Themen der 100jährigen Verlagshistorie. Die Verständnisfragen ließen sich alle problemlos klären und auch der Gedanke, dass Aiko und ich zum Beispiel als Comic enden könnten, hatte seinen Reiz. Ein Thema war natürlich auch das Honorar, wobei ich ein Buch zu meiner Reise nun nicht als eine konkurrierende Einnahmequelle zu meiner Tätigkeit als freiberuflicher Interactive Developer sah. Fünfzig Prozent des Honorars sollte es vorab geben, die andere Hälfte bei Erscheinen der ersten Ausgabe und dann eine prozentual steigende Beteiligung an den verkauften, bezahlten und nicht remittierten Exemplaren. Klang in meinen Ohren fair und die auffindbaren Quellen bestätigten meine Vermutung. Die relevanten Daten für die Abgabe waren: 272 Seiten zzgl. 24-32 Seiten Farbbildstrecke und Abgabe am 28. Juni 2013. Somit war auch direkt die Planung für die erste Jahreshälfte 2013 mit abgeschlossen. Das i-Tüpfelchen der Vertragsunterzeichnung war, dass aus dem freundlichen Doktor der liebenswerte Philip wurde und ich mich riesig auf die Zusammenarbeit und das Lernen von ihm freute.