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Die bellenden Gassen von Niederdorla

Ein Ort mitten im Nichts ist auf einmal der Mittelpunkt von Deutschland – jedenfalls aus geographischer Sicht.

Als Startpunkt für unsere 100- tägige Reise wählte ich Niederdorla in Thüringen, den geographischen Mittelpunkt von Deutschland. Nach einer gut zweistündigen Anreise von Hannover nach Mühlhausen mit der Regionalbahn stehen Aiko und ich um Punkt 10 Uhr vor dem Bahnhof.

Ein Ort, der mit seiner erhaltenen Stadtmauer und den vielen Kirchentürmen als altertümliche Stadt mitten im grünen Herzen Thüringens angepriesen wird und von dem ich schon viele schöne Fotos gesehen habe. Ich folge anfänglich dem Radweg nach Niederdorla und das ist mit Sicherheit nicht der schönste Weg durch diese ruhmvolle Stadt, die Wirkungsstätte von Johann Sebastian Bach und Thomas Müntzer war. Der Weg führt uns vorbei an leerstehenden maroden Stadtvillen, deren Zustand nicht ihrer architektonischen Klasse würdig ist. Die strahlende Sonne reflektiert an einem hoffnungserweckenden Bäckereischild, das leider ein Relikt aus alten Tagen ist. Ein großer leerer Parkplatz vor einem Supermarkt und ein großer voller Parkplatz vor einem Friedhof sind die letzten Bilder, die ich von Mühlhausen im Kopf behalten werde.

Nach gut acht Kilometern entlang einer kleinen Landstraße und etlicher Weizen- und Maisfelder erreichen wir Niederdorla. Glücksgefühle breiten sich aus. Dr. Finger aus Dresden und Dr. Förge aus Göttingen hatten die entferntesten Punkte in Nord-Süd und Ost-West-Richtung gewählt und Niederdorla als geographischen Mittelpunkt von Deutschland errechnet – unseren Startpunkt. 1991 pflanzte man dafür als Wahrzeichen eine 12m hohe Kaiserlinde. Auch 20 Jahre später ist sie noch kein beeindruckender Baum geworden – die Natur hat eine andere Zeitrechnung.

Ein Tante-Emma-Laden sorgt für eine Stärkung und wir schlendern durch ein beschauliches kleines Dörfchen in Thüringen. Als das erste Tor zu bellen beginnt, hat die Beschaulichkeit ein Ende. Man sieht keinen einzigen Hund, aber die Pflastersteine zittern vor Gebell und das in der Mittagszeit. Dass mein Begleiter, ein fast fünfjähriger Husky-Rüde, nicht bellen kann, macht die Tore noch fuchsiger. Er wiegt sich in Sicherheit und stolziert mit seinem Rucksack durch die bellenden Gassen.

Das Land wird weiter und vor uns eröffnet sich der Blick auf einen schier unendlichen Wald. Die Vorfreude ist groß und die Schritte werden schneller, aber die Sonne macht meinem kleinen Kameraden zu schaffen. Wir beenden in Kammerforst unseren ersten Tag und kehren im Rennstieg-Hotel Rettelbusch ein.

Als wir zwei Katzen im hauseigenen Paulaner Biergarten aufscheuchen und ich mich bei der Kellnerin entschuldigen möchte, quittiert Sie dies nur mit den Worten: „Das sind eh zu viele!“ Auf Nachfrage erzählt Sie mir, dass es eine Nachbarin gab, die 18 Katzen hatte. Die Nachbarin zog vor längerer Zeit weg und nahm lediglich zwei Katzen mit. Keiner im Dorf fühlt sich verantwortlich und die Evolution sorgt für Unmut über die kleinen niedlichen Fellknäule.

Am Abend serviert mir eine gutgelaunte Wirtin in einer Bilderbuch-Gaststube Gejagter, ein einfaches Gericht aus luftigem Rührei mit Jagdwurst und Bratkartoffeln. Es mundet und während ich der Dorfjugend lausche, die über ihre Autobahnerlebnisse gegen PS-starke Boliden aus dem Schwabenlande schwadroniert, erhält Aiko seine Streicheleinheiten von dem Kind am Nachbartisch.

  1. Hallo Jens,
    über die Facebook-Seite von „Wandern in Deutschland“ habe ich Deinen Blog gefunden und habe gerade den ersten Tag gelesen. Die anderen Tage werde ich mir auch noch durchlesen. Auch die schönen Fotos dazu sind sehr ansprechend! Eine tolle Sache, Deine Wanderung mit Hund! Es ist sicher ein tolles Erlebnis für Euch beide. Mit meinem Hund und 5 Freunden habe ich in diesem Jahr eine 6-Tage-Tour um den Vogelsberg unternommen. Deutschland ist ein tolles Wanderland! Dir noch viel Spaß und ich bleibe dran … an Deinen Berichten.
    Viele Grüße,
    Doro aus Köln

  2. Hallo Jens,
    ich hoffe, Ihr seid wohlauf!
    Ich meine den Vulkanring Vogelsberg, das ist ein ausgewiesener 125 km langer Wanderweg um den Vogelsberg herum. Kann ich unbedingt empfehlen!
    Hattet Ihr schon Schnee am Wochenende?
    Fröhliches Laufen weiterhin!!!
    Doro

  3. Hej Doro,

    lieben Dank! Den Weg schaue ich mir morgen einmal genauer an. Am Wochenende waren wir in Freiburg und Colmar und hatten somit keinen Schnee. Ich hatte aber schon am 21.09. im Karwendelgebirge 40-50cm Neuschnee unter meinen Füßen. :-)

    Beste Grüße
    Jens

  4. Lieber Jens,
    durch meinen Mann bin ich auf deine Seite gestoßen und total begeistert. Der erste Tag hat mich schon total gefangen und ich freue mich auf die 99 folgenden Tage. Es liest sich so schön und einfach, das macht Lust auf mehr.
    Schade nur, dass ich es nur hier aufn Rechner lesen kann. Ein Buch wäre da schon eher was für mich.
    Viele liebe Grüße
    Steffi

  5. Hallo Jens,
    habe deinen Post heute auf Kwerfeldein gelesen und war neugierig. Klasse Seite mit tollen Funktionen (gelaufene Kilometer, Trip in Google etc.). Die Seite ist klasse gestaltet und zusammen mit deinen Fotos ein Augenschmaus. Ich werde mir jeden Bericht in Ruhe auf meiner Couch durchlesen.

    Grüße aus Bremen
    André Finken

  6. Liebe Steffi,

    vielen Dank für dein Kompliment. Ich werde deinen Wunsch eines Buches an die Verlagshäuser dieser Republik tragen. :)

    Beste Grüße
    Jens

  7. Hej André,

    das freut mich sehr! Ich wünsche Dir viel Spaß auf der Couch mit hoffentlich einem leckeren Heißgetränk.

    Beste Grüße nach Bremen
    Jens

  8. Hallo Jens,

    finde deinen Schreibstil einfach super. Sachlich – aber dennoch persönlich und immer wieder mit einem kleinen Zwinkern ;-)

    LG
    Jochen